Warum die Schwarzpappel bei uns vom Aussterben bedroht ist

aktuelle Beobachtungen aus Dresden

Bekanntlich gibt es in der Roten Liste und Artenliste Sachsens Farn- und Samenpflanzen nur zwei Laubbaumarten, die als vom Aussterben bedroht gelten, die Elsbeere und die Schwarzpappel. Man kann sich fragen, wieso es gerade die Schwarzpappel so hart trifft, die doch mit den Auen unserer großen Flüsse wie der Elbe oder der Vereinigten Mulde recht umfangreiche natürliche Verbreitungsdgebiete hat und dort zur Lebensgemeinschaft Weichholzaue gehört. In der europäischen Naturschutzgesetzgebung handelt es sich dabei um den prioritären FFH-Lebensraumtypen 91E0, der, wie auch die Schwarzpappel selbst, in Sachsen fast völlig veschwunden ist. In früheren Veröffentlichungen (Müller 2012, Lorenz & Müller 2016) hatten wir zahlreiche Gründe genannt, die es der Schwarzpappel bei uns schwer machen, zu überleben und sich fortzupflanzen. Neben den seit Jahrhunderten stattfindenden massiven Eingriffen in die Flussdynamik, die zur Förderung des Schiffsverkehrs und zur (angeblich effektiven) Vorbeugung und Bekämpfung von Hochwasserereignissen durchgeführt werden, sind dies vor allem auch die intensive Nutzung der flussnahen Auen für menschliche Siedlungen, Straßenbau und Landwirtschaft. Hinzu kommt, dass die Öffentlichkeit Bäume eher als Störung ihres Schönheitsideals baumarmer oder sogar baumfreier Uferwiesen sieht, an die sie sich seit Generationen gewöhnt hat. Auch neigen die behördlichen Naturschützer genauso wie die in Verbänden organisierten dazu, die verschiedenen Typen von Auenwiesen, die Teil unseres kulturbedingten Naturerbes sind, höher zu bewerten als die naturnahen Auwälder, weshalb sie die Entfaltung letzterer oftmals nicht dulden.

Trotzdem stellt sich die oben formulierte Frage, warum es die Schwarzpappel ganz besonders hart trifft, während sich andere auentypische Bäume trotz all der aufgezählten baumfeidlichen Bedingungen in unseren Auen der großen Flüsse doch sofort spontan fortpflanzen, sobald sie – wenn auch nur in räumlich stark begrenzten Bereichen – die Möglichkeit dazu bekommen. In Dresden an der Elbe sind dies beispielsweise bestimmte Weidenarten aber auch Stieleiche, Esche, Spitzahorn und Bergahorn.

Zurzeit kann man erstaunlicherweise Massenvorkommen diesjähriger Sämlinge der Schwarzpappel an zahlreichen Stellen der Dresdner Elbaue beobachten. Das Bild zeigt ein Beispiel vom rechten Elbufer, genauer gesagt vom trocken gefallenen Teil des Flussbettes mitten im Stadtzentrum. So etwas kommt nur selten vor. Das letzte Ereignis dieser Art konnten wir vor elf Jahren beobachten, als es sehr viele Pappelsämlinge im Schotter des linken Elbarms an der Pillnitzer Insel gab, die im Staatsbetrieb Sachsenforst in Graupa mit Hilfe von Iso-Enzym-Analyse als artreine Schwarzpappeln identifiziert wurden. Leider haben wir diese massenhafte Vermehrung im Elbschotter damals nicht mit Bildern dokumentiert, da wir sie nicht als etwas Besonderes erkannten. Wir wurden eines Besseren belehrt, als wir nach wenigen Jahren feststellen mussten, dass diese Pappelsämlinge durch mehrere Hochwasser vollständig beseitigt worden waren. Unsere Beobachtungen zeigen typische Besonderheiten des Fortpflanzungsverhaltens der Schwarzpappel: Um sich generativ fortpflanzen zu können, braucht sie offensichtlich ein relativ selten vorkommendes, optimales Zusammenspiel von Wetter und Flussdynamik um Keimlinge erzeugen zu können. Diese brauchen „frischen“, das heißt unbewachsenen,

Flussschotter oder ausreichend feuchten Rohboden und viel Sonnenlicht. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, keimen die Pappeln und wachsen sehr schnell und sind in der Konkurrenz mit Gräsern, Stauden oder anderen Gehölzen überlegen. Dagegen gelingt das Keimen der Schwarzpappel in einer dichten Vegetationsdecke nur selten und in der oftmals mehr als zwei Meter hohen Auenvegetation haben die lichthungrigen Sämlinge keine Chance emporzukommen. Die im Bild gezeigten Pappeln im Schotter des Flussbetts sind also leider nur so etwas wie ein Modellversuch: Sobald nach dem diesjährigen extrem trockenen Sommer wieder mehr Wasser in der Elbe fließen wird, werden sie wieder vernichtet werden. Dauerhaften Nachwuchs der Schwarzpappel könnte es erst wieder geben, wenn wir der Elbe wieder mehr Flussdynamik erlaubten, so dass sie ausreichend viele Schotterflächen bilden könnte, von denen einige eine längere Zeit fortbestehen könnten. Außerdem müssten wir bereit sein, den Aufwuchs der Pappeln zumindest auf einigen wenigen solcher Flächen zu dulden, so dass dort naturnahe Auengehölze entstünden.

Massenvorkommen von spontaner Verjüngung der Schwarzpappel an der Elbe im im Stadtzentrum Dresdens im Spätsommer 2018.  | Foto: Robert Michalk

Müller, K.-H. (2012): „Die Schwarzpappel (Populus nigra) an der Oberen Elbe in Sachsen – Bestand, Gefährdung und Schutz“. Naturschutzarbeit in Sachsen, 54. Jahrgang, S. 46.

Lorenz, J. und K.-H. Müller (2016) „Ein Schwarzpappelprojekt des NABU Sachsen (2013-2015)“. Naturschutzarbeit in Sachsen, 58. Jahrgang, S. 60.

Karl-Hartmut Müller, September 2018
Ein Projekt des NABU Sachsen